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s begab sich aber in jenen Tagen, da der Große Guru Vorstand im Hause Eichbaum war, daß ein Erlaß von dem obersten Finanzbuchhalter, dem heiligen Apostel Paulus ausging, auf daß alles bewegliche Inventar geschätzet würde; alles gebundene und alles ungebundene Leergut, das da steht unter dem freien Himmel, der filtrierte und der unfiltrierte Gerstensaft, der da lagert in den Gewölben unter der Erde, ein jedes Faß und ein jeder Dosendeckel und jeder einzelne Kronenkorken, ein jeglicher nach seiner Art. Der Apostel Paulus aber war ein gottesfürchtiger Mann und wandelte auf den Wegen des Herrn immerdar. Und darum gebot er, daß die Schätzung am Tage des Reformationsfestes erfolgen solle, denn dieser zählte zu den heiligsten Festtagen unter den frommen Protestanten im Lande.

 

Und siehe, als der Tag des Reformationsfestes herbeigekommen war, da begab sich ein jeder an seine Arbeitsstätte, auf daß alles bewegliche Inventar geschätzet würde, wie der Apostel Paulus es befohlen hatte. Und so zählte man alles gebundene und alles ungebundene Leergut, das da steht unter dem freien Himmel, den filtrierten und den unfiltrierten Gerstensaft, der da lagert in den Gewölben unter der Erde, ein jedes Faß und einen jeden Dosendeckel, und auch jeden einzelnen Kronenkorken, einen jeglichen nach seiner Art. Es nahte aber auch in jenen Tagen das Weihnachtsfest, und darum es seit alter Zeit im Hause Eichbaum Brauchtum war, alle Jahre in den Wochen vor dem Fest der Ankunft des Herrn auf jede abgefüllte Flasche ein frommes Rückenetikett aufzuspenden, so mußten auch diese mit Sorgfalt und Hingabe gezählt werden, ein jegliches nach seiner Art.

 

Und siehe, als es Abend ward, und die Schätzung sich ihrem Ende zuneigte, da sah man, daß alles im argen lag. Unüberwindliche Gräben hatten sich aufgetan zwischen den Werten, die man gezählt hatte, und denjenigen Werten, die man aufgrund der Buchführung vermutet hatte. Der Apostel Paulus aber zürnte gar sehr ob solcher Ungereimtheiten, und er versammelte um sich alle Schriftgelehrten und die Ältesten des Volkes, auf daß man ihm die gewaltigen Fehlbeträge erklärlich machte. Doch keiner der Schriftgelehrten und niemand unter den Ältesten des Volkes wußte einen Rat, was man tun solle. Es war aber auch ein heftiger Streit entbrannt zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern, darüber, ob man die Anbruchpaletten des Vollgutes dem gebundenen oder dem ungebundenen Leergut zurechnen solle; denn die Heilige Schrift legte davon kein Zeugnis ab.  

 

Und so kam man letztlich zu dem Ratschluß, daß es nur einen Nothelfer geben könne, der in dieser mißlichen Lage die ersehnte Rettung herbeizubringen vermochte: Dies war der weise alte Herr mit dem langen schwarzen Mantel, der im Hause Eichbaum über viele Jahre hinweg den Debitorenschlüssel in seinen Händen gehalten hatte; nur er war imstande, für Abhilfe zu sorgen. Der weise Alte aber hatte sich in jener Zeit bereits zur Ruhe gesetzt und verbrachte seine Tage auf seinem Alterssitz zu Friesenheim, im Land jenseits des Jordan, dem Lande der Pfälzer. Die Pfälzer aber waren ein gar seltsames Volk mit eigentümlichen Gepflogenheiten. Sie hatten keine Vorhänge an ihren Fenstern, und auf ihren Feldern kultivierten sie ein gar fremdartiges und unförmiges Knollengewächs. Auch war es unter dem Volke Brauch, sich an jedem zweiten Sabbat, in rote Gewänder gehüllt, auf einem Berge zu versammeln, der da heißt Betzenberg, um dort gemeinsam zu grölen, zu jubeln, zu feiern oder zu trauern. In jenem unwirtlichen Lande nun hatte der weise Alte sich niedergelassen, um dort seine Tage zu verbringen; denn also spricht der Herr durch den Propheten: „Das Volk, das in der Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und die da saßen auf ihren Kartoffeläckern, am Ort und Schatten des Todes, denen ist ein Licht aufgegangen.“ (Jesaja, 9, 1; frei übersetzt)

 

Im Hause Eichbaum aber sandte man einen Boten aus, hinüber in das Land jenseits des Jordan, nach Friesenheim, zu dem weisen Alten, auf daß man ihn flehentlich um Beistand ersuchte. Und nachdem der Bote ausgezogen war, hinüber in das Land, wo die Kartoffeln wachsen, da wartete man im Hause Eichbaum sieben Tage und sieben Nächte lang, und man verbrachte die Zeit mit inbrünstigem Fasten und Beten, und viele von ihnen legten ein härenes Gewand an, zum Zeichen der aufrichtigen Buße; und so harrten sie der Ankunft des weisen Alten sieben Tage und sieben Nächte lang. Am achten Tage aber zeigte Gott, der Allmächtige, Erbarmen mit seinem leidenden Volke. Und siehe, im Morgengrauen des achten Tages erschien der weise Alte in seinem langen schwarzen Mantel vor den Toren des Hauses Eichbaum; von jenseits des Jordan her war er gekommen; reitend auf einem Esel, und seine Weisheit leuchtete ihm voran. Das alles aber ist geschehen, auf daß erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: „Saget der Tochter Zion; siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der Eselin.“ (Sacharja, 9, 9). Und siehe, das ganze Haus Eichbaum erstrahlte im Glanz der Weisheit des Alten, und es ward ein lautes Jubilieren, und freudiger Lobgesang hob an im ganzen Volke ...