Erwartungsvolle
Stille brach herein, als der Philologe den Saal betrat. Man konnte in diesem
Moment die Anspannung der Zuhörer förmlich mit den Händen greifen. Wie gebannt
waren alle Blicke nach vorn auf die Bühne gerichtet, wo jetzt der Philologe mit
würdevollem Gang auf die dort errichtete Kanzel emporstieg. Er trug einen
grauen, recht unscheinbaren Anzug und darunter ein einfaches, weißes Hemd ohne
Krawatte oder sonstigen, überflüssigen Firlefanz. Es sollte schließlich niemand
durch optische Reize von der überwältigenden Schönheit der sprachlichen
Darbietungen des Philologen abgelenkt werden. Mit einem milden, fast
unmerklichen Lächeln in seinem Gesicht blickte er eine ganze Weile lang in die
Reihen des Publikums, immerzu gütig lächelnd, aber doch gleichzeitig mit einem
strengen und prüfenden Blick, so als wolle er auf diese Weise die Qualität und
den Sachverstand seiner Zuhörerschaft mit den Augen ermessen.
Die
Zuschauerränge waren bis auf den letzten Platz gefüllt; und augenscheinlich
waren im Publikum alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten, sowohl die
Gebildeten, als auch die minder Gebildeten. Da aber nicht für alle mehr ein
Sitzplatz zur Verfügung stand, mussten noch etliche Besucher dicht aneinandergedrängt
oben auf der Galerie des Saales stehen, von wo aus sie die gesamte Vorstellung
in gebeugter Haltung verfolgen mussten, denn die Empore befand sich nur
knapp unterhalb der Decke des Raumes. Diejenigen unter ihnen, die ihren Kafka
aufmerksam studiert hatten, hatten sich daher vorsorglich mit einem gepolsterten
Kissen ausgerüstet, und dieses zwischen den Kopf und die Saaldecke gelegt, um
sich nicht den Schädel wundzudrücken.
Bereits
am Eingang hatten die Platzanweiser an alle Besucher Erkältungsbonbons
verteilt, um sicherzustellen, dass kein Husten und kein Räuspern aus dem
Publikum die Darbietungen des Philologen stören würde. Die Bonbons waren eigens
in kleine Stoffsäckchen, und nicht, wie sonst üblich, in Plastiktüten verpackt
worden, um zu verhindern, dass das Knistern der Tüten den Genuss dieser
einzigartigen Vorstellung beeinträchtigen könnte. Und so herrschte jetzt
vollkommene Ruhe im Saal.
Nach
einiger Zeit reckte der Philologe beide Arme nach vorne aus, in Richtung der
Menschen, die, regungslos auf ihren Sitzen verharrend, oder auf der vollkommen
überfüllten Galerie stehend, der ersten Silbe des großen Gelehrten
entgegenfieberten. Dann erhob er seine Stimme und begann zu sprechen:
„Upfshtradablyxtt“, lautete das erste Wort, das über seine Lippen kam. Er sprach
wieder Sufanesisch, wie er es immer bei seinen Vorstellungen tat; denn dies war
ja schließlich der eigentliche Grund, warum die Menschen in so großer Zahl zu
seinen Veranstaltungen herbeiströmten; nicht wenige unter ihnen hatten eine
Anreise von etlichen hundert Kilometern in Kauf genommen, nur um an diesem
Abend in diesem Saal bei dem Vortrag des Philologen dem außerordentlichen
Wohlklang der sufanesischen Sprache lauschen zu können.
Freilich
konnte niemand im Publikum verstehen, was der Philologe sagte; woher hätten sie
es auch verstehen sollen? Man konnte das Sufanesische nirgends erlernen. Es gab
weder Volkshochschulkurse, noch Wörterbücher oder sonstige Nachschlagewerke;
und nur noch die großen alten Philologen beherrschten diese außergewöhnlich
feine und subtile Sprache; ihnen musste die Kenntnis dieses Idioms gleichsam in
die Wiege gelegt worden sein. Es gab wohl durchaus noch in einigen gut sortierten
Antiquariaten eine verstaubte, alte Fibel zu erwerben, die eine Anleitung zur
Konjugation der regelmäßigen Verben im Sufanesischen enthielt. Diese war
jedoch für den praktischen Gebrauch weitgehend nutzlos, da es in der
sufanesischen Sprache eigentlich gar keine regelmäßigen Verben mehr gab;
zumindest jedoch galt es bei den Gelehrten seit langer Zeit als äußerst
unschicklich, in der Öffentlichkeit regelmäßige Verben zu gebrauchen.
Irgendwann einmal, in einer Zeit, als das Phänomen der sprachlichen Verrohung
und des grammatikalischen Formenschwundes überhand zu nehmen drohte, hatte nämlich
der Oberste Rat des Philologenverbandes beschlossen, dass, um dem Missbrauch
der Sprache entgegenzuwirken, in Wort und Schrift nur noch solche Verben
verwendet werden dürften, bei denen keine Beugungsform mit irgendeiner anderen
Beugungsform des gleichen Verbes in mehr als zwei Buchstaben übereinstimmte;
und eine eigens zu diesem Zweck eingesetzte Kommission überwachte nun
schärfstens die Einhaltung dieses Gebotes. Sicherlich war das Dekret auch
deshalb erlassen worden, um die Erlernbarkeit der sufanesischen Sprache nicht
allzu einfach zu gestalten; denn die Philologen bildeten eine sehr eitle Zunft,
und sie wachten eifersüchtig darüber, dass kein Außenstehender in ihre Domäne
einzudringen vermochte, zumal das Philologentum einen erblichen Berufsstand
darstellte.
„Upfshtradablyxtt“-
so also lautete das erste Wort des Philologen am heutigen Abend. Somit hatte er
dieses Mal bereits zu Beginn seiner Konjugationsübungen das historische Perfekt
des Konditional verwendet. Dies war ungewöhnlich und zweifellos zugleich ein
Zeichen höchster Wertschätzung gegenüber seinem Publikum; denn üblicherweise
pflegte er in der Anfangsphase seiner Vorstellungen ausschließlich im
Indikativ Präsens zu sprechen. Und, obgleich die Zuhörer aufgrund mangelnder
Sprachkenntnisse nicht wissen konnten, dass es sich hier um das historische
Perfekt des Konditional handelte, so spürte man doch im Publikum ganz
offenkundig das Besondere und Erhabene an diesem ersten Wort des Philologen. Es
war im Grunde genommen auch gar nicht von erheblicher Wichtigkeit, zu wissen,
was die einzelnen Worte bedeuteten; denn im Sufanesischen kam es nicht so sehr
darauf an, was man sagte, sondern viel entscheidender war die Art, wie man es
sagte. So erschloss sich der eigentliche Sinn eines Wortes weniger aus der
lexikalischen Bedeutung desselben, als vielmehr durch die grammatikalische
Beugungsform, in der es verwendet wurde.
Etwa
eine dreiviertel Stunde lang dauerten die Konjugationsübungen des Philologen;
sie bildeten den ersten Teil seiner insgesamt dreiteiligen Vorstellung. Dabei
konjugierte er mehr als zwanzig stark unregelmäßige Verben aller
Konjugationsklassen in allen Zeitstufen von seiner Kanzel herunter, und zwar im
Aktiv, im Medium und im Passiv, im vollendeten, wie im unvollendeten Aspekt.
Der Philologe ließ auch heute wieder keinerlei Zweifel an seiner
herausragenden Kompetenz in der hohen Kunst des Konjugierens aufkommen - und
gewiss gab es im ganzen Lande keinen Zweiten, der so virtuos den Subjunktiv zu
applizieren verstand, wie er. Welch eine Freude war es doch für das Ohr, den
herrlichen Konjugationsübungen des Philologen beizuwohnen! Bei den Zuhörern
löste diese exzellente Darbietung einen Sturm der Begeisterung aus, und
heftiger Beifall brandete auf, als der Philologe seine Konjugationsübungen
schließlich beendet hatte.
Nachdem
der Applaus sich gelegt hatte, griff der Philologe nach einer Weile in seine
Jackentasche und holte von dort eine Zeitung hervor. Damit begann der zweite
und zugleich der Hauptteil seines Vortrages: die Lektüre aus dem
Feuilletonteil der aktuellen sufanesischen Tageszeitung. Genau genommen war die
Bezeichnung Feuilletonteil hier nicht ganz angebracht oder zumindest ein wenig
irreführend; denn, um mit Fug und Recht von einem Feuilletonteil sprechen zu
können, hätte das Blatt ja noch mindestens aus einem weiteren Teil bestehen
müssen. Dies war jedoch nicht der Fall; die sufanesische Tageszeitung besaß
weder einen politischen, noch einen wirtschaftlichen, noch einen Sport- oder
Anzeigenteil, sondern sie behandelte
ausnahmslos kulturelle Themen. Es wäre im übrigen auch gar nicht möglich gewesen,
in der Zeitung über Politik, Wirtschaft oder Sport zu berichten, denn man
konnte in der sufanesischen Sprache ausschließlich schöngeistige Dinge zum
Ausdruck bringen, wohingegen es für die Beschreibung alltäglicher und banaler
Angelegenheiten in jeder Hinsicht an den passenden Begriffen mangelte, was
jedoch in Philologenkreisen keineswegs als Nachteil empfunden wurde; hätte doch
ohnedies jeglicher Versuch, das Sufanesische in Alltagssituationen
anzuwenden, unvermeidlich einen erheblichen Schaden für den phonetischen
Wohlklang dieser überaus vornehmen und reinen Sprache verursacht.
Die
Redakteure der Zeitung, die allesamt zu den herausragendsten Philologen unserer
Zeit gehörten, achteten sorgfältig darauf, dass keinerlei profane Einflüsse auf
sie einwirken und sich auf den Inhalt oder den Stil der von ihnen verfassten
Leitartikel niederschlagen konnten. Sie schotteten sich daher hermetisch ab und
vermieden jeglichen Kontakt mit der nicht-sufanesisch sprechenden Außenwelt.
Ihre Redaktionsräume verließen sie niemals, was auch nicht notwendig war, da
sie dort gleichzeitig auch wohnten und schliefen. Man vermutet, dass sie in den
Redaktionsräumen der Tageszeitung bereits geboren wurden; auf alle Fälle
hatten sie das Handwerk des Feuilletonierens von ihren Vätern und Großvätern
erlernt und ererbt.
Selbstverständlich
enthielt die sufanesische Tageszeitung keinerlei bildliche Darstellungen; es
gab weder Zeichnungen noch grafische Erläuterungen, und das Abdrucken von
Fotografien verbot sich den Redakteuren des Blattes ohnehin grundsätzlich.
Solcherlei Abbildungen hätten die Harmonie des sufanesischen Schriftbildes
erheblich beeinträchtigt; denn nicht nur das gesprochene Wort bot sich dem
Zuhörer als einzigartiges Klangerlebnis dar, sondern allein schon durch das
Betrachten der Schriftzeichen wurde dem Leser immer wieder aufs neue ein
bemerkenswertes kalligraphisches Kunstwerk zuteil, das selbst für diejenigen,
die der sufanesischen Sprache und Schrift nicht mächtig waren, ganz und gar
einen vorzüglichen Genuss für das Auge bedeutete. Darüber hinaus hätte das
Abdrucken bildlicher Darstellungen in der Tageszeitung den Eindruck erwecken
können, als handele es sich hierbei seitens der Redakteure um ein
Eingeständnis ihrer Unfähigkeit, die Botschaft der betreffenden Bilder nicht
ebenso gut mit den Ausdrucksformen der Sprache dem Leser vermitteln zu können.
Das
Konzept der Zeitungsmacher erwies sich in jeder Hinsicht als erfolgreich: Das
sufanesische Tageblatt zählte zu den auflagestärksten im ganzen Land; es fand
reißenden Absatz unter allen Bevölkerungsschichten und in allen
Altersgruppen, ungeachtet dessen, dass niemand im Volke die sufanesische
Zeitung lesen oder gar verstehen konnte. Man begnügte sich damit, sich an der
unvergleichlichen Schönheit der Schriftzüge zu erbauen. Allerorts konnte man
morgens in den Straßenbahnen und Omnibussen die Berufspendler, die zur
Arbeit fuhren, beobachten, wie sie andächtig ihre Köpfe in die neueste Ausgabe
der sufanesischen Tageszeitung steckten. Viele taten sogar absichtlich so, als
würden sie die Texte tatsächlich verstehen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit
der übrigen Fahrgäste auf sich zu lenken. Der Erfolg des Blattes wurde auch
dadurch nicht geschmälert, dass niemand den Namen der Zeitung zu lesen oder
auszusprechen vermochte. In den Geschäften und Zeitungskiosken wurde das
Blatt deshalb immer ganz vorne auf der Ladentheke gut sichtbar positioniert,
so dass die Kunden einfach nur mit dem Finger auf die Zeitung zu deuten brauchten,
um diese käuflich erwerben zu können. Einige der Käufer trugen immer
vorsorglich ein Exemplar der Zeitung des Vortages bei sich, das sie dann dem Händler
als Muster vorlegen konnten, für den Fall, dass das Blatt einmal doch nicht
ganz vorne auf der Ladentheke liegen sollte.
Der
Philologe nun war der einzige weit und breit, der die sufanesische Tageszeitung
lesen und verstehen konnte. So war es nicht verwunderlich, dass die Menschen,
die ansonsten das Sufanesische lediglich durch das Betrachten der
Schriftzeichen kannten, von überall her zu seinen Vorstellungen herbeiströmten,
wo sie hautnah miterleben konnten, wie der große Gelehrte das harmonische
Schriftbild akustisch umsetzte, und wie er die syntaktischen Strukturen der
Texte zu einer einzigartigen sprachlichen Symphonie verband. Dabei zeichnete
sich der Philologe vor allen Dingen durch eine unübertrefflich präzise Aussprache
aus; er verfügte über eine derart reine und klare Diktion, dass, wenn er einen
Vortrag unter freiem Himmel hielt, augenblicklich die Vögel zu zwitschern
begannen, und die Blumen auf den Wiesen öffneten ihre Blüten. Man erzählt sich
des öfteren eine Anekdote, wonach dem Philologen einmal während eines solchen
Vortrages ein kleiner sprachlicher Lapsus unterlaufen sei; nein, nicht
wirklich ein ernsthafter Fehler; eine winzige stilistische Unachtsamkeit
eigentlich nur, woraufhin unverzüglich die Amseln und die Nachtigallen, die
sich nahebei niedergelassen hatten, aufgeschreckt und mit einem jähen
Aufschrei von dannen geflogen seien. Alsbald hätten auch die Mimosen allesamt
ihre Blätter eilig nach unten geklappt - so wird berichtet.
Der
Philologe verhielt sich im übrigen keineswegs geizig, wenn es darum ging, seine
Mitmenschen mit einer Kostprobe seiner herausragenden Kenntnis der
sufanesischen Sprache zu erfreuen. Nicht nur, wie hier, bei kommerziellen
Veranstaltungen, bot er seinen Zeitgenossen immer wieder gerne einige linguistische
Kunststücke dar; nicht selten konnte man auch auf offener Straße in der Stadt
erleben, wie der Philologe, ohne äußerlich erkennbaren Anlass, mitten im
Verkehrsgewimmel oder in einem belebten Einkaufsviertel, spontan sufanesische
Gedichte aus spätviktorianischer Zeit zu rezitieren begann. Häufig kam es vor,
dass der Philologe am Sonntag Morgen Spaziergänger, die mehr oder weniger zufällig
an seinem Haus vorüberliefen, in Entzückung versetzte, indem er bei weit
geöffnetem Fenster, von seinem Wohnzimmer aus, weithin hörbar einige
Leitartikel aus der Wochenendausgabe der sufanesischen Tageszeitung verlas,
oder indem er eine Reihe stark unregelmäßiger Substantive der als besonders
schwierig eingestuften „u“-Klasse zum Fenster hinausdeklinierte.
Unglücklicherweise
gab es in der Nachbarschaft einige Mitbewohner, die die Sprachkünste des Philologen
nicht in gebührendem Maße zu schätzen wussten. Eines Nachmittags einmal ging
der Philologe einige Blöcke weit von seinem Haus entfernt die Straße entlang.
Da sah er an einem Garagentor ein Plakat befestigt, auf dem jemand ein Auto zum
Verkauf anbot. Der Philologe blieb stehen und las sich die Anzeige genauestens,
Wort für Wort durch, wobei er andächtig die Arme auf dem Rücken verschränkt
hielt. Dann, nach einer Weile, erhob er seine Hände und begann, den Text des
Plakates ins Sufanesische zu übersetzen - mit lauter Stimme, so dass alle
Nachbarn es hören konnten. Dabei wippte er zur Untermalung des Gesprochenen
fortwährend mit den Fußsohlen auf und ab, gerade so, wie man es von den alten
Lateinlehrern aus der Schule kannte. Währenddessen trat ein Mann zu ihm – offensichtlich
handelte es sich um den Verfasser der Anzeige - und fragte: „Haben Sie Interesse;
möchten Sie ein Auto kaufen?“. Der Philologe reagierte daraufhin verwundert, ja
fast entrüstet: „Oh nein, mein Herr, ich bin Philologe; mein Interesse an
dieser Anzeige ist rein sprachwissenschaftlicher Natur“, entgegnete er dem
Mann, und dann fügte er aufklärend hinzu: „Es geht mir darum, die syntaktische
Struktur des Textes zu analysieren“, woraufhin sein Gesprächspartner sich
verständnislos und kopfschüttelnd abwand.
Etwa
zwei Stunden lang dauerte an diesem Abend die Lektüre aus der sufanesischen
Tageszeitung. Der Philologe gab auch dieses Mal wieder alles; er steigerte die
Vehemenz seines Vortrages von Leitartikel zu Leitartikel. Gegen Ende der
Vorstellung vibrierten im Saal alle Wände, und auch die Decke begann zu
zittern, so dass die Besucher, die auf der Empore standen, ihre Köpfe noch ein
Stück weiter einziehen mussten. Der Philologe unterstrich jetzt seine
Ausführungen durch lebhafte und emphatische Gesten mit seinen Händen, und
einige Male vollführte er auf seiner Kanzel regelrechte Luftsprünge, so dass diese
beinahe einzustürzen drohte. Das Publikum zeigte sich von der Darbietung wie
gefesselt; niemand wagte es, sich auch nur ein winziges Stück auf seinem Platz
zu bewegen. Und schließlich, als der Philologe die Zeitung zugeklappt, und
damit den Zuhörern das Ende seiner heutigen Vorlesung signalisiert hatte,
erhob sich ein wahrhafter Orkan des Applauses im Saal. Viele der Anwesenden begannen,
vehement mit den Füßen zu stampfen, um auf diese Weise nachdrücklich von dem
Meister eine Zugabe einzufordern; und etliche taten dies derart ungestüm, dass
sie darüber ihre Kinderstube vergaßen.
Der
Philologe verbeugte sich wieder und wieder, und, so wie alle großen Künstler in
dieser Situation es zu tun pflegen, tat er dabei so, als habe er nicht die
Absicht, dem Publikum noch eine Zugabe zu gewähren. Dann jedoch, als die „Da
Capo“-Rufe im Saal immer schallender wurden, streckte er, um die Zuhörer zu
beruhigen, beide Hände aus, solange bis es im Saal wieder ganz still geworden
war. Daraufhin erfolgte die Zugabe: Diese bestand aus einem Gedicht in
sufanesischer Sprache - einem Gedicht, das er auswendig vortrug. Er trug dieses
Gedicht bei allen seinen Vorstellungen als Zugabe vor; und vermutlich hatte er
es eigens zu diesem Zweck selbst verfasst. Der Rhythmus des Gedichtes folgte
dem Hexameter, dem Versmaß der homerischen Epen; wobei man gestehen musste,
dass der Philologe in seinem Werk die Dichtkunst Homers in jeder Beziehung
perfektioniert hatte; hier konnte er dem Publikum noch einmal sein ganzes
Können unter Beweis stellen. Die Zuhörer waren außer sich vor Begeisterung,
wiewohl sie den Inhalt des Gedichtes in keinster Weise verstehen konnten.
Einige unter ihnen hätten nicht übel Lust gehabt, im Rhythmus des Versmaßes
mitzuklatschen; aber das wäre natürlich ein vollkommen ungebührliches Verhalten
gewesen; befand man sich doch schließlich in einer seriösen Veranstaltung.
Nachdem
der letzte Hexameter verklungen war, setzte erneut tosender Beifall ein. Und
wieder forderten viele im Publikum, die sich noch immer nicht an der
sufanesischen Sprache sattgehört hatten, von dem Philologen eine erneute
Zugabe. Einige hatten wahrscheinlich gehofft, der Meister würde als nächstes
womöglich eine Seite aus dem örtlichen Telefonbuch ins Sufanesische übersetzen;
jedoch, sie hofften vergeblich. Der Philologe hatte noch niemals bei einem
Vortrag eine zweite Zugabe erteilt, und er tat es auch dieses Mal nicht. Er
verbeugte sich noch mehrmals artig; dann stieg er von seiner Kanzel herab, und
der Vorhang der Bühne begann, sich zu senken. Die noch immer stürmisch applaudierenden
Zuhörer hielten noch eine ganze Zeit lang ihre Augen starr nach vorn auf das
Podium gerichtet, bis der Philologe hinter dem langsam immer weiter nach
unten sinkenden Vorhang den Blicken seiner Anhänger vollständig entrückt war.